In diesem Kapitel werden die wichtigsten Anwendungen, die das Internet zur Verfügung stellt, kurz vorgestellt. Dazu zählen Dateitransfer, Remote-Computing, Elektronische Post, Diskussionsforen, Gopher und das World Wide Web.
Da es den Rahmen dieses Buches überschreiten würde, auf konkrete Softwareprodukte für die einzelnen Dienste einzugehen, stellen die verwendeten Abbildungen nur Beispiele dar.
Eines der Hauptanwendungsgebiete des Internet liegt in der einfachen und raschen Übertragung von Daten von einem Kontinent zum anderen. Heute ist es vor allem Freeware und Shareware, die so verbreitet wird. Freeware ist generell kostenlos, während beim Shareware-Konzept der Interessent die Software z. B. 30 Tage lang kostenlos testen kann und bei Gefallen anschließend eine Registrierungsgebühr zu entrichten hat. Dazu zählen Vorab-Versionen (-Releases) von neuen Anwendungsprogrammen, aber auch Sounddateien, Grafiken, kleine Hilfsprogramme (Tools) und Computerspiele. Riesige Archive sind so über die ganze Welt verteilt.
Das zugehörige auf TCP/IP aufsetzende Protokoll ist FTP (File Transfer Protocol), und so wird meistens auch der entsprechende Internet-Dienst bezeichnet. Besonders beliebt ist Anonymous FTP, der Benutzer muß sich dabei dem fremden Host gegenüber nicht identifizieren. Alles, was man dazu wissen muß, ist der Name des gewünschten Hosts, z. B. ftp.univie.ac.at für den FTP-Server an der Universität Wien. Nach der Eingabe dieses Namens in das entsprechende Dialogfeld wird die Verbindung automatisch aufgebaut. Ein typisches Beispiel zeigt Abbildung 2.4.
In der rechten Fensterhälfte kann man durch entsprechende Mausklicks in der hierarchischen Struktur die gewünschte Datei am FTP-Server suchen und auswählen. Links wird der Ordner am eigenen Rechner eingestellt, in den die Datei kopiert werden soll. Mittels des -Buttons wird die eigentliche Übertragung gestartet. Fertig.
Der entscheidende Nachteil dieser Methode ist die Tatsache, daß sowohl der genaue Ort der Datei in der Verzeichnisstruktur als auch deren genaue Bezeichnung für eine erfolgreiche Übertragung bekannt sein sollten. Auch Archie, der zu FTP gehörende Suchdienst, benötigt als Ausgangsinformation seiner Suche den genauen Dateinamen oder zumindest Teile davon. Damit ist FTP wohl primär für Insider geeignet, für gelegentliche Benutzer ist zweifellos das World Wide Web (siehe Kapitel 3) besser geeignet.
Unter Remote-Computing versteht man die Möglichkeit, den eigenen Computer zu einem Terminal eines entfernten Superrechners zu machen und damit dessen Rechenleistung oder Datenbestand zu nutzen. Die hauptsächlichen Anwendungsfälle sind aufwendige Berechnungen vor allem im technischen Bereich und die Abfrage von Datenbanken.
Der zugehörige Internet-Dienst namens Telnet stellt allerdings aufgrund der Emulation eines Großrechner-Terminals nur ein Kommando-Interface zur Verfügung. D. h., die einzelnen Befehle müssen im Gegensatz zu einer grafischen Benutzeroberfläche selbst eingetippt werden, was heute nicht mehr als benutzerfreundlich angesehen wird. Oft wird wenigstens die Abfrage einer Datenbank durch die Anzeige von Auswahlmenüs erleichtert, wie die Abbildungen 2.5 und 2.6 zeigen.
Abbildung: Telnet-Dialog (Menü)
Abbildung 2.6: Telnet-Dialog (Abfrage)
Auch Datenbankabfragen dieser Art sind heute bereits über das World Wide Web möglich.
Waren die bisher vorgestellten Internet-Anwendungen eher auf die Übertragung von Daten ausgerichtet, so dient die elektronische Post dem Austausch von persönlichen Nachrichten. Der markanteste Unterschied zwischen dem unter E-Mail bekannten Dienst der Postvermittlung auf elektronischem Weg und der ,,gelben Post`` ist die Geschwindigkeit der beiden unterschiedlichen Medien, weshalb letztere im Jargon auch als Snail-Mail (engl. Schneckenpost) bezeichnet wird. Ansonsten sind sehr viele Gemeinsamkeiten festzustellen.
Wie bei einem Geschäftsbrief ist neben dem eigentlichen Text des Schreibens die Angabe eines Betreffs (Subject) und natürlich eines Empfängers (To:) notwendig, bevor die E-Mail durch Drücken des Send-Buttons abgeschickt werden kann. Der Absender (From:) wird meistens automatisch eingesetzt. Ein typisches Beispiel zeigt Abbildung 2.7. Es handelt sich dabei um GroupWise, eines von vielen verschiedenen Mail-Programmen am Markt (andere weitverbreitete Mail-Programme sind u. a. Eudora und Pegasus).
Besonderes Augenmerk verdient die E-Mail-Adresse des Empfängers. Sie hat im Internet gewöhnlich die Form Empfängername@hostname. Der Hostname ist der Name des Servers, der als Post Office dient. Er speichert die eingehende Post zwischen, bis sie vom Empfänger abgerufen wird. Der Empfängername ist häufig nur der Nachname oder eine Kombination aus Vor- und Nachnamen. Typische E-Mail-Adressen sind etwa
Baumgartner@idv.uni-linz.ac.at
oder
Franz.Gramlinger@jk.uni-linz.ac.at.
Zusätzlich zu dieser Grundfunktion hat der Absender einer Mail eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die die elektronische Post erst zu einer komfortablen Einrichtung machen:
Abbildung 2.8: Hauptfenster von GroupWise
Wenn der Empfänger sein Mail-Programm startet, wird ihm durch ein entsprechendes Symbol angezeigt, daß neue Nachrichten eingetroffen sind. Oft ertönt zusätzlich ein Signalton. Meist durch einen Doppelklick auf das Symbol wird die Inbox (Eingangsbox) geöffnet. Diese ist eine kurze Übersicht aller eingetroffenen Mails, wobei jeweils Absender, Betreff und Datum/Uhrzeit aufgelistet werden. Ein Beispiel zeigt Abbildung 2.9.
Der Empfänger kann nun aus der Liste eine Mail auswählen, sie öffnen und lesen. Zusätzlich stehen in der Regel folgende Funktionen zur Verfügung:
Da E-Mail eine sehr schnelle, asynchrone und formlose Kommunikation ermöglicht, ist sie neben dem World Wide Web der meistgenutzte Dienst im Internet.
Basierend auf dem Versenden von E-Mails haben sich zahlreiche Diskussionsforen zu praktisch jedem nur erdenklichen Thema im Internet etabliert. Die beiden wichtigsten Arten sind
Mailing-Listen können als Verteilervermerke aufgefaßt werden, also als eine Aufzählung zahlreicher E-Mail-Adressen. Ein Teilnehmer der Diskussionsgruppe sendet seinen Beitrag in Form einer Mail an die Liste, die diesen anschließend automatisch an alle eingetragenen Empfänger weiterleitet. Alle Abonnenten der Liste haben daher je nach Aktivität der Diskussionsteilnehmer ständig mehr oder weniger gefüllte Mailboxen.
Dieser Nachteil wird bei den Newsgroups umgangen, indem dort einfach alle eintreffenden Beiträge an einem ,,schwarzen Brett`` veröffentlicht werden. Wer Interesse hat, kann dieses am Bildschirm anzeigen und die interessanten Artikel lesen, gegebenenfalls auch auf den eigenen Computer downloaden und dort archivieren.
Ein großes Problem bei allen E-Mails, vor allem jedoch bei Diskussionsforen aufgrund der vielen Empfänger, ist die Beschränkung auf die reine Schriftform. Beispielsweise bei sarkastischen Äußerungen spielen Körpersprache und Gesichtsausdruck eine bedeutende Rolle. Ein lediglich geschriebener Text kann somit leicht zu Mißverständnissen führen, die im Internet schnell hohe Wellen schlagen. Solche Fehden bezeichnet man als Flames oder Flamewars.
Zur Milderung dieses Problems wurden die Emoticons oder Smileys erfunden. Sie werden gerne einer zweideutigen Aussage hinzugefügt, um zu verdeutlichen, wie sie gemeint ist. Dreht man den Kopf um 90 gegen den Uhrzeigersinn, so erkennt man ein
Für das richtige Verhalten im Internet wurde bereits ein Wort kreiert: Netiquette. Neben dem Vermeiden von Flames und dem Einsatz von Smileys wird in diesem Zusammenhang oft darauf hingewiesen, nur wirklich notwendige Daten über das Internet zu übertragen, um keine Ressourcen zu verschwenden. Außerdem sollen die versendeten E-Mails kurz und bündig formuliert sein, was in der Szene bereits zu Abkürzungen wie CUL8R (see you later), IMO (in my opinion), AFAIK (as far as I know) oder RTFM (read the fucking manual - als Antwort auf dumme Fragen) geführt hat (vgl. [9], Seite 80 ff). Auch direkt aus dem World Wide Web können Hinweise zur Netiquette abgerufen werden (vgl. [107]).
Auch Internet Relay Chat (IRC) ist ein Dienst, mit dessen Hilfe zwei oder mehrere Teilnehmer miteinander kommunizieren können. Der wesentliche Unterschied zu E-Mail und Diskussionsforen besteht allerdings darin, daß ein Chat (von engl. plaudern) synchron, also in Echtzeit abläuft. Alle Teilnehmer eines solchen digitalen Plauderstündchens müssen also gleichzeitig vor dem Computer sitzen.
So wie im Internet unzählige Mailing-Listen und Newsgroups existieren, werden beim IRC verschiedene Kanäle unterschieden. Mit geeigneter Software, z. B. der Shareware mIRC, wählt man den gewünschten Kanal aus und kann sich sofort aktiv am laufenden ,,Gespräch`` beteiligen. Eingetippte Nachrichten werden binnen Sekunden auf den Bildschirmen sämtlicher Gesprächspartner des Kanals angezeigt.
Internet Relay Chat hat in letzter Zeit wieder an Bedeutung gewonnen, da es gerade Mode ist, auch im Rahmen des World Wide Web (siehe Kapitel 3) die Möglichkeit zum Chatten anzubieten. Ein typisches, besonders bei der Jugend beliebtes Beispiel ist der Ö3-Chatroom. Abbildung 2.10 zeigt einen Ausschnitt aus einer typischen Chat-Sitzung im Kanal ,,Ö3-Lounge`` (vgl. [103]).
Abbildung 2.10: Internet Relay Chat
Eine Weiterentwicklung des IRC stellen Videokonferenzen dar, bei denen Bilder und Ton über das Internet ausgetauscht werden. Die Computer der beteiligten Konferenzteilnehmer müssen dazu natürlich mit Kamera, Mikrofon und zugehöriger Digitalisier-Software ausgestattet sein. Eine sogar kostenlos für Windows und Macintosh erhältliche Software für Internet-Videoconferencing ist CU-SeeMe, das an der Cornell University entwickelt wurde (vgl. [61]).
Gopher wurde Anfang des Jahres 1991 an der Universität von Minnesota entwickelt. Die Idee war, eine Vielzahl der bisher isoliert zu bedienenden Internet-Dienste unter einer einheitlichen Oberfläche zu verbinden, also ein umfassendes Informationssystem zur Verfügung zu stellen. Somit kann Gopher praktisch als Vorgänger des World Wide Web verstanden werden.
Gopher offeriert seine Information in Form von Menüs, die hierarchisch untereinander verbunden sind. Die einzelnen Menüpunkte können Sinnbilder sein für weitere über- oder untergeordnete Menüs, unmittelbar lesbare Textdokumente und Bilder, aber z. B. auch für den Aufbau einer Telnet-Sitzung zur Abfrage einer Datenbank. Der Benutzer kann somit durch Auswahl der entsprechenden Menüpunkte durch den Gopherspace wandern, ohne dabei die Domainnamen der jeweils angesprochenen Hosts kennen zu müssen. Auch ein eigener Suchdienst namens Veronica wurde entwickelt. Ein typisches Beispiel eines Gopher-Menüs zeigt Abbildung 2.11.
Hinsichtlich der Konzeption eines weltweit verstreuten Informationspools und der einfachen Navigation in diesem bedeutete Gopher einen Durchbruch. Mit der Einführung des World Wide Web fand dieser Höhenflug jedoch ein rasches Ende. So wurde z. B. auch an der Universität Linz der Gopher-Server mit Stand 11. Juni 1996 ,,eingefroren`` (gopher.uni-linz.ac.at) und fortan die volle Aufmerksamkeit dem World Wide Web-Server (www.uni-linz.ac.at) gewidmet (vgl. [56]).
Erst das World Wide Web (meist WWW oder W3 genannt) hat den Boom ausgelöst, den das Internet derzeit erlebt. Der Grundstein dafür wurde bereits 1989 im CERN, dem Europäischen Zentrum für Teilchenphysik in Genf, gelegt. Doch erst im Laufe der Jahre 1992 und 1993 wurden das WWW öffentlich vorgestellt und die ersten grafischen Browser verbreitet. (Darunter versteht man die Software, mit der die Informationen aus dem WWW abgerufen werden können.) Seit diesem Zeitpunkt war der Siegeszug nicht mehr aufzuhalten.
WWW ist als Informationssystem prinzipiell dem Gopher ähnlich, bietet jedoch wesentlich freizügigere Gestaltungsmöglichkeiten durch das zugrundeliegende Hypermedia-Konzept (siehe Kapitel 3.1.1). Durch die beliebige Kombination von Texten, Bildern und neuerdings sogar Animationen und Ton sind dem Gestalter kaum noch Grenzen gesetzt. Durch die Entwicklung interaktiver Formulare können mittlerweile bereits Bestellungen von Waren getätigt oder im universitären Bereich Anmeldungen für Lehrveranstaltungen vorgenommen werden.
Ein weiterer Erfolgsfaktor des WWW ist die Integration fast aller bisher vorgestellten Internet-Dienste. Über einen WWW-Browser (siehe auch Kapitel 3.2) können neben den eigentlichen WWW-Informationsseiten auch FTP, Telnet, E-Mail, Newsgroups und Gopher abgerufen bzw. gestartet werden. Aufgrund der überragenden Bedeutung des World Wide Web werden sich die folgenden Ausführungen auf diesen Dienst konzentrieren.